
Wie auf dem Fischmarkt
6. Juni 2025Von porösen Schichten, Druckspannungen und berstenden Platinen

Mehrere Jahrzehnte alte Lautsprecher kommen meistens mit den gleichen Wehwehchen zu uns in die Überholung. Gealterte Sicken, zerstörte Membranen, ab und an kaputte Polklemmen. Alles Probleme an der Oberfläche, im Lautsprecherinneren ist meist alles intakt. So zumindest in den gängigen Fällen.
Der Zahn der Zeit hatte auch an diesen Bang & Olufsen Beovox MS-150 sichtlich gezerrt und genagt. Die in den 80er Jahren so beliebten Schaumstoffsicken haben sich durch Alterungsprozesse und UV-Strahlung in bröselig klebrige Partikel zersetzt, bis sie einen kreisrunden Einblick in das Innenleben der Lautsprecher gewähren und die Membranen nur noch von den Zentrierspinnen gehalten werden. Hier war die Diagnose also schnell gestellt und die Subwoofer- und Tief-Mittelton-Chassis wurden zwecks Sickentausch ausgebaut.


Nun ist die Beovox Ms-150 ja ein Lautsprecher mit Designanspruch, welcher sich auch darin widerspiegelt, dass die Chassis ohne sichtbare Verschraubungen in der Gehäusefront befestigt sind. Wir mussten also die gesamte Lautsprecherfront demontieren um die Chassis rückseitig abzuschrauben.
An diesem Punkt offenbarten die Lautsprecher dann ihre eigentliche Überraschung bzw. außergewöhnliche Beschädigung. Die Am Mittel-Hochton Kabinett befestigten Frequenzwarenplatinen waren beide einmal über die gesamte Breite zerbrochen. Sehr ungewöhnlich, zumal auf diesem Teil der Platine nur kleine Bauteile untergebracht sind.

Wir kennen solch einen Platinenbruch höchstens von Sektionen, auf denen sehr schwere Bassspulen untergebracht sind. Bei unsachgemäßem und rabiatem Lautsprechertransport lassen diese dank ihrer Trägheitskräften dann schonmal eine Frequenzweichenplatine brechen.
Der Treiber dieser kapitalen Zerstörung hier war hingegen jedoch ein ganz anderer - weder abrupt noch schwer. Es war schlicht die weiche, leichte Dämmwolle!
Wie das flüssige Magma in der Erdkruste auf die Kontinentalplatten drückt, diese äußerst langsam aber stetig vor sich herschiebt und dabei Gebirge auftürmt und tiefe Gräben schafft, so hat hier innerhalb von 40 Jahren die harmlos wirkende Dämmwolle ganze Arbeit vollbracht.


Zwischen Lautsprecherrückwand und Frequenzweiche war so viel Bedämpfungsmaterial komprimiert, dass unter diesem Dauerdruck irgendwann die Pertinaxplatine sich erst gekrümmt hat und dann gebrochen ist. Die auf der Platinenrückseite aufgebrachten Kupferbahnen konnten diesen Kräften auch nichts entgegensetzen und sind mitsamt zerstört worden. Wie nach einem schweren Erdbeben zeigten sich uns hier also Risse quer durch die Leiterbahnen.

Bevor es an die Flickarbeit der gerissenen Leiterbahnen ging, mussten wir erst einmal für die Stabilität der Platinen sorgen. Dazu brachten wir biegesteifes Aluminium U-Profil an den Oberseiten der Platinen an. Die abgeknickten Partien waren somit wieder fest mit der restliche Platine verbunden.



Das eigentliche Flicken haben wir mit aufgelöteten Drahtstücken durchgeführt. Dazu wurde die Schutzlackschicht stellenweise entfernt um das blanke Kupfer der Leiterbahnen freizulegen. Nun wurden Drahtabschnitte als Brücken über die Risse gelegt und auf das Kupfer aufgelötet. Im Vergleich zu einer einfachen Lötzinnbrücke bzw. Punkt-zu-Punkt Verdrahtung mit Litze geben die Drahtbrücken nochmals zusätzliche Stabilität und schützen vor einem erneuten Einreißen.





Abschließend installierten wir die reparierten Frequenzweichen wieder auf dem Mittel-Hochton-Kabinett und montierten anschließend die Lautsprecher wieder komplett zusammen. Die geringe Menge Dämmwolle, welche den Schaden an beiden Frequenzweichen verursacht hatte, brachten wir nicht wieder im Gehäuse unter. Dies ist akustisch auch zu verschmerzen, da allein der sehr tief trennende Subwoofer auf dieses bedämpfte 64 Liter Volumen spielt und Dämmwolle bei solch niedrigen, langwelligen Frequenzen kaum Wirkung zeigt.
Äußerlich sind die vier Jahrzehnte sicherlich weiterhin zu erkennen. Dank Reparatur und neuen Schaumstoffsicken spielen diese Designlautsprecher jedoch wieder technisch einwandfrei wie damals in den 80er Jahren.


